Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Mieter der für eine Hochzeitsfeier
gemieteten Räume die Miete vollständig zahlen mussten, die aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte.

Die Kläger, die am 11.12.2018 standesamtlich geheiratet hatten, mieteten bei der Beklagten
Räume für eine am 1.5.2020 geplante Hochzeitsfeier mit ca. 70 Personen. Nach mündlichen
Vertragsverhandlungen übersandte die Beklagte den Klägern eine auf den 5.4.2019 datierte
MONATSRUNDSCHREIBEN 04-2022

Verbraucherrecht
Rechnung über die vereinbarte Miete von 2.600 Euro, die die Kläger beglichen. Die geplante
Hochzeitsfeier „platzte“, weil aufgrund der damals gültigen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung Veranstaltungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen untersagt worden waren. Am 23.3.2020 bot die
Beklagte den Klägern unter Angabe von Alternativterminen an, die Hochzeitsfeier zu verschieben. Doch die Kläger baten rund einen Monat später, die geleistete Miete zurückzuzahlen. Sie
erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

 

Das war der Verfahrensgang

Das Amtsgericht (AG) hat die auf Rückzahlung der vollen Miete gerichtete Klage abgewiesen.
Die Kläger gingen in Berufung. Dort änderte das Landgericht (LG) das Urteil und verurteilte die
Beklagte, an die Kläger (lediglich) 1.300 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der
Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung
wieder hergestellt. Die Anschlussrevision der Kläger hat er zurückgewiesen.

 

Die Argumente des BGH

Der BGH hat entschieden, dass die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie nicht zu
einer sog. Unmöglichkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1
BGB) geführt haben. Denn der Beklagten war es trotz des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier in NRW geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich, den Klägern den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Ebenso zutreffend hat das LG eine Minderung der Miete abgelehnt. Durch die Coronaschutzverordnung wurde weder den Klägern die Nutzung der angemieteten Räume noch der Beklagten tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Coronaschutzverordnung, die die geplante Hochzeitsfeier untersagte, weiter für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Eine
Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, stellt somit keinen Mangel der Mietsache dar, so der BGH.

 

Den Klägern steht im vorliegenden Einzelfall auch kein Anspruch wegen sog. Störung der
Geschäftsgrundlage auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Pflicht,
die vereinbarte Miete zu zahlen, vollständig oder teilweise befreit wären. Zwar kommt für den
Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der
COVID-19-Pandemie erfolgt, ein solcher Anpassungsanspruch grundsätzlich in Betracht. Dies
bedeutet aber nicht, dass der Mieter in diesen Fällen stets eine Anpassung der Miete verlangen
kann. Ob ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer
umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag nach
Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider
Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Nur, wenn dies
nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann der benachteiligte Teil vom Vertrag
zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen.

Ausweichtermine nicht akzeptiert

Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Anpassungsanspruch der Kläger auf die von der
Beklagten angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemie-Risikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann. Die Beklagte hat den Klägern bereits im März 2020
viele Ausweichtermine angeboten, auch für das Jahr 2021. Den Klägern wäre zum Zeitpunkt der
Berufungsentscheidung eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Sie hatten
bereits im Dezember 2018 standesamtlich geheiratet und die Hochzeitsfeier stand daher nicht,
wie regelmäßig, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer standesamtlichen oder kirchlichen Trauung. Die Kläger haben auch keine anderen Gründe dafür vorgetragen, dass die
Feier ausschließlich am 1.5.2020 und nicht auch zu einem späteren Termin hätte stattfinden
können. Sollten sie inzwischen endgültig auf eine Hochzeitsfeier verzichten wollen, fiele diese
Entscheidung allein in ihren Risikobereich und hätte daher auf die vorzunehmende Vertragsanpassung keine Auswirkung. Denn sie beträfe das allgemeine Verwendungsrisiko eines Mieters
und stünde nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der pandemiebedingten Störung
der Geschäftsgrundlage.

 

QUELLE: BGH, Urteil vom 2.3.2022, XII ZR 36/21, PM 29/2022 vom 2.3.2022

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