Fast 44 Prozent der Deutschen benutzen regelmäßig ihr Fahrrad. Bei den Oldenburgern
sind es sogar fast 80 Prozent. Dabei kommt es manchmal auch zu Gefahrensituationen und
Unfällen. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat jetzt in einem solchen Fall ein Urteil
gefällt.

 

 

Der Kläger war mit seinem Rad auf einer Straße unterwegs. Der Beklagte kam mit seinem
Fahrrad aus der Einfahrt des dort befindlichen Häuserblocks. Er fuhr langsam und unsicher.
Der Kläger fuhr eine kurze Strecke hinter dem Beklagten her und setze dann zum Überholen
an. Weil der Beklagte in diesem Moment mit seinem Fahrrad erheblich nach links ausschwenkte,
kam es zu einer Kollision. Der Kläger fiel zu Boden, seine Schulter war verrenkt, eine Sehne
abgerissen. Er musste zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden und war eine Woche krankgeschrieben.
Es folgte eine längere Physiotherapie.

Das Landgericht (LG) hatte das Begehren des Klägers nach Schmerzensgeld und Schadenersatz
zurückgewiesen. Der Kläger, so das LG, hätte nicht überholen dürfen, weil er den erforderlichen
Sicherheitsabstand von 1,5 bis 2 m zu dem Beklagten nicht habe einhalten können.

Das OLG sah dies anders: Ein Überholen setze nicht generell einen Sicherheitsabstand von 1,5
bis 2 m voraus – dies würde bedeuten, dass Fahrradfahrer sich fast im gesamten Stadtgebiet
nicht überholen dürften. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Im konkreten
Fall weise der Radweg eine ausreichende Breite zum Überholen aus, zumal der Radweg nur
optisch von dem breiten Fußweg abgegrenzt ist. Der Beklagte habe durch seinen Linksschwenk
gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 1 Straßenverkehrsordnung) verstoßen, nach dem sich
jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten müsse, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde.
Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden von 50 Prozent, weil er hätte erkennen können,
dass der Beklagte unsicher fuhr. Der Beklagte muss dem Kläger jetzt ein Schmerzensgeld von
3.500 Euro zahlen, sowie die Hälfte seines Sachschadens ersetzen (Fahrten zur Physiotherapie,
beschädigte Kleidung). Die Entscheidung ist rechtskräftig.

QUE LLE | OLG Oldenburg, Urteil vom 21.9.2021, 2 U 121/21, PM vom 27.9.2021

Kategorie(n)

Verbraucherrecht

 

Schlagwörter

Fahrrad Schmerzensgeld