arbeitsrecht

Eine tarifliche Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die
anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen
Nachricht anzeigen muss, soll dem Verlag regelmäßig ermöglichen, zu prüfen, ob
seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden.
Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen,
so jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis
ist der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften anzuwenden.
Danach bedarf ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe
der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen
Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen
Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.
Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung
eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten.
Der Artikel des Klägers enthielt u. a. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung
am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin
im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung
des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin
dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“
gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch
noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur
ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete
der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März
2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten – in der T.-Zeitung ein Beitrag des
Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine
Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Er sah
u. a. seine Berufsfreiheit sowie sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit
verletzt. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen,
weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu
schützen.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte auch beim
BAG keinen Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger abzumahnen. Die Verpflichtung
eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner
arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen,
verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen europäisches Konventionsrecht. Im Rahmen
der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu
berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die
Lage versetzt wird, zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung
beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers regelmäßig
zurücktreten, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen.

QUELLE: BAG, Urteil vom 15.6.2021, 9 AZR 413/19 , PM Nr. 13/21

Kategorie(n)

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