Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Ein ursprünglich zu Wohnzwecken
errichtetes Gebäude kann allein durch bewussten jahrelangen Leerstand und dadurch
bedingten baulichen Verfall nicht der Geltung des Zweckentfremdungsverbots entzogen werden
Eine Bauentwicklungsgesellschaft kaufte im Jahr 1998 ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte,
um ein Investitionsvorhaben mit dem Ziel der Sanierung und Wiederherstellung von 23 Wohnungen durchzuführen. Das Haus stand spätestens seit 1998 leer. Von einer beantragten und
erteilten Baugenehmigung zur Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes machte sie
keinen Gebrauch. Vielmehr teilte sie dem Bezirksamt 2015 mit, dass das Wohngebäude zur dauernden Wohnnutzung nicht mehr geeignet sei, weil es weder über eine Heizung noch über
Bäder und Toiletten verfüge und die Böden einsturzgefährdet seien. Im Jahr 2019 beantragte die
Bauentwicklungsgesellschaft einen sog. Negativattest mit dem Inhalt, dass es sich bei den
Räumlichkeiten nicht um schützenswerten Wohnraum handle, der dem Zweckentfremdungsverbot unterfalle, und kündigte an, das Gebäude beseitigen zu wollen. Das Bezirksamt lehnte
die Erteilung des Negativattests ab.
Die dagegen gerichtete Klage hat das VG abgewiesen. Das betroffene Gebäude stelle zweckentfremdungsrechtlich geschützten Wohnraum dar, weil es weiterhin zur dauernden Wohnnutzung
geeignet sei. Zwar sei das Gebäude in seinem derzeitigen stark sanierungsbedürftigen und
baufälligen Zustand aktuell nicht bewohnbar. Zu Wohnzwecken errichtete Gebäude unterfielen
aber auch dann dem Zweckentfremdungsverbot, wenn sie sich noch mit objektiv zumutbarem
Aufwand in einen bewohnbaren Zustand versetzen ließen. Davon sei hier auszugehen, weil die
Bauentwicklungsgesellschaft nicht nachgewiesen habe, dass ihr eine Wiederherstellung der
Bewohnbarkeit unzumutbar sei. Dies sei nur der Fall, wenn die ansetzbaren Wiederherstellungskosten höher seien als die in zehn Jahren erzielbare Rendite. Von den tatsächlichen Wiederherstellungskosten seien dabei solche nicht berücksichtigungsfähig, die auf in der Vergangenheit unterlassene Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen zurückzuführen seien.
Das Gericht hat gegen das Urteil die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zugelassen.
QUELLE:VG Berlin, Urteil vom 12.7.2023, VG 6 K 264/21, PM vom 18.9.2023
Kategorie(n)
Bau- und Architektenrecht