Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat die Klage einer Muslimin auf
Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verhüllungsverbot der Straßenverkehrsordnung
zum Tragen eines Gesichtsschleiers (Niqab) beim Autofahren als unbegründet abgewiesen.
Im Gegensatz zu einem aus religiösen Gründen getragenen Kopftuch (Hijab) verhüllt ein
sogenannter Niqab nicht nur die Haare sowie ggf. den Hals-, Schulter und Brustbereich, sondern auch das Gesicht mit Ausnahme der Augenpartie.

 

Gesicht darf nicht verhüllt werden
Die Klägerin stellte am 19.7.2021 bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verhüllungsverbot (§ 23 Abs. 4 S. 1 StVO). Danach darf, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist.
Der Antrag wurde abgelehnt. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren der Klägerin erhobene Klage hat das VG jetzt abgewiesen. Der religiös begründete Wunsch der Klägerin, während
des Führens eines Kraftfahrzeugs der Fahrerlaubnisklasse „B“ einen Niqab zu tragen, eröffne
keinen Anspruch auf die begehrte straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung von dem
bestehenden Verhüllungsverbot.

 

Verhüllungsverbot mit dem Grundgesetz vereinbar
Das Verhüllungsverbot sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Im typischen Anwendungsfall
betreffe das Verhüllungsverbot in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die allgemeine
Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 GG) der Fahrzeugführer und Fahrzeugführerinnen. Werde das
Tragen einer Kopfbedeckung als religiöses Symbol verstanden, komme daneben zwar auch die
Religionsfreiheit in Betracht. Das Verhüllungsverbot führe jedoch nicht zu einer gezielten oder
den Schutzbereich der Religionsfreiheit unmittelbar betreffenden Beschränkung. Dadurch,
dass § 23 Abs. 4 S. 1 StVO das Tragen eines Niqabs nicht schlechthin verbiete, sondern eine
generelle Anordnung nur für bestimmte Bereiche des Straßenverkehrs darstelle, werde die
Religionsausübung nur in einer eng begrenzten und für die Religionsfreiheit typischerweise
nicht wesentlichen Lebenssituation eingeschränkt.

 

Keine Beeinträchtigung des Grundrechts auf freie Religionsausübung
Die Voraussetzungen einer Befreiung vom Verhüllungsverbot lägen nicht vor. Insbesondere
könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass durch die Ablehnung ihres Antrags
überragende Rechtsgüter verletzt würden. Eine schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung
durch die Ablehnung der begehrten Ausnahmegenehmigung sei nicht anzuerkennen. Deren
Erteilung stünden im Rahmen der Abwägung der privaten und öffentlichen Interessen im
Gegenteil hochrangige Rechtsgüter in Form der Verkehrssicherheit, des Schutzes von Leib und
Leben sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter entgegen. Insbesondere gewährleiste das
Verhüllungsverbot die Feststellbarkeit der Identität von Kraftfahrzeugführern bei automatisierten Verkehrskontrollen, um diese bei Rechtsverstößen heranziehen zu können. Die repressive
Verfolgung diene zugleich präventiv der Abwehr künftiger Verkehrsverstöße. Durch die Ablehnung des Antrags sei die Klägerin auch nicht in Art. 3 GG verletzt, da das Verhüllungsverbot
religions- und geschlechtsunabhängig gelte. Die Ablehnung sei auch verhältnismäßig. Insbesondere sei das Ziel des Verhüllungsverbots angesichts der Missbrauchsmöglichkeiten nicht
durch eine Fahrtenbuchauflage oder andere Vorkehrungen zu erreichen.

 

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht
(OVG) Rheinland-Pfalz gestellt werden.

 

QUELLE: VG Neustadt, Urteil vom 26.7.2023, 3 K 26/23.NW, PM 16/23

Kategorie(n)

Verkehrsrecht

 

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