Das Amtsgericht (AG) Hannover hat jetzt im Wege einer sog. einstweiligen Verfügung ein Betretungsverbot für eine Baustelle im Zuge einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung
ausgesprochen. Es hat einem Nachbarn untersagt, eine Baustelle zu betreten, um Bäume zu schützen.

 

Das war geschehen
Die Beteiligten des Verfahrens sind Nachbarn. Die Antragsteller errichten auf ihrem Grundstück einen Neubau. Für das Bauvorhaben besteht eine Baugenehmigung. Auf dem Grundstück
der Antragsgegnerin befinden sich mehrere Bäume, unter anderem eine Birke, deren Wurzelwerk bis auf das Nachbargrundstück reicht.
An zwei Tagen betrat die Antragsgegnerin das Grundstück der Antragsteller und behinderte die
dort durchgeführten Baggerarbeiten. Im Verfahren hat die Antragsgegnerin sich darauf berufen, dass sie zum Schutz des Wurzelwerks der auf ihrem Grundstück befindlichen Bäume
eingeschritten sei. Sie sei davon ausgegangen, dass die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Bestimmungen zum Schutz der auf den benachbarten Flächen befindlichen Gehölzen,
Bäumen und Hecken nicht eingehalten worden seien. Daher habe sie befürchtet, dass es durch
die Baggerarbeiten zu irreparablen Schäden am Wurzelwerk ihrer Bäume komme.

 

So sah es das Gericht
Das AG hat den Antragstellern Recht gegeben und der Antragsgegnerin aufgegeben, das Betreten des Nachbargrundstücks zu unterlassen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass allein das bloße Betreten eines Grundstücks durch unbefugte Personen ohne den
Willen des Besitzers unzulässig sei (sog. Besitzstörung). Auch der angestrebte Schutz der Bäume der Antragsgegnerin ändere daran nichts.

 

Selbsthilfemaßnahmen verstießen gegen Besitzschutzrechte
Das AG betonte: Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin wegen der ihrerseits
befürchteten Schädigung des Wurzelwerkes des auf ihrem Grundstück befindlichen Baumbewuchses überhaupt Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche zustehen, wären sie – selbst,
wenn sie bestünden – keine taugliche Grundlage für die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Selbsthilfemaßnahmen. Dies erkläre sich insbesondere aus dem Sinn und Zweck der von
Antragstellerseite geltend gemachten Besitzschutzansprüche. Sie sollen die Kontinuität der
bestehenden Besitzlage gegen Eingriffe schützen und so den allgemeinen Rechtsfrieden wahren. Die Besitzschutzrechte erschöpften sich daher darin, verbotene Übergriffe rückgängig zu
machen und den eigenmächtig Handelnden in die Bahnen des justizförmigen Verfahrens zur
Durchsetzung seines Rechts zu zwingen.
Vor diesem Hintergrund hätte es der Antragsgegnerin oblegen, sich zur Durchsetzung etwaiger
zivilrechtlicher Ansprüche (zivil-)gerichtlicher Hilfe zu bedienen. Alternativ hätte sie gegenüber
den zuständigen Behörden auf ein behördliches Einschreiten – notfalls mittels verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – hinwirken können und müssen.

 

QUELLE: AG Hannover, Urteil vom 16.10.2023, 435 C 8845/23, PM vom 17.10.2023

 

Kategorie(n)

Bau- und Architektenrecht