Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sich mit der Frage befasst, wann eine Stadt dafür
haften muss, dass ein Straßenbaum umstürzt und hierdurch ein Fahrzeug beschädigt wird.

Der klagende Eigentümer eines Porsche 911 Carrera Cabriolet befuhr im Juni 2016 eine Straße
in der Ruhrgebietsstadt Essen. An diesem Tag stürzte ein hangabwärts befindlicher Stämmling
einer mehrstämmigen, ca. 16 m hohen Esche quer über diese Straße, nachdem bereits einige
Zeit zuvor ein hangaufwärts – der Straße abgewandt – stehender Stämmling dieser Esche
abgebrochen war. Baumkontrolleure der beklagten Stadt hatten im August 2015 und im April
2016 jeweils nach einer Sichtprüfung festgestellt, dass der Baum morsch war und Pilzbefall
hatte. Die Esche sollte deshalb spätestens Ende Januar 2017 gefällt werden.
Der Kläger wirft der Stadt vor, nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um
Gefahren durch einen Abbruch des Stämmlings zu vermeiden. Deshalb habe dieser auf seinen
Porsche stürzen und ihn beschädigen können. Die beklagte Stadt sei ihm gegenüber daher verpflichtet, Schadenersatz von mehr als 50.000 Euro zu zahlen (v. a. Reparaturkosten,
Nutzungsausfallentschädigung). Das LG Essen hatte dem Kläger Schadenersatz von rund 47.500
Euro zugesprochen. Die Berufung der beklagten Stadt war nur zum Teil erfolgreich.
Das OLG: Zur Abwehr der von Straßenbäumen ausgehenden Gefahren müssten die Maßnahmen
getroffen werden, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und Umsturz erforderlich seien,
andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestands der Städte und
Gemeinden diesen auch zumutbar seien. Schon aus ökologischen Gründen sei eine vorsorgliche
Entfernung sämtlicher Bäume aus der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht zu rechtfertigen.
Gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstünden, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhten, müssten als unvermeidbar hingenommen werden.
Dennoch dürften Anzeichen nicht übersehen werden, die nach der Erfahrung auf eine weitere
Gefahr durch den Baum hinweisen würden. Vor diesem Hintergrund seien die bloßen Sichtkontrollen durch die Baumkontrolleure der beklagten Stadt unzureichend gewesen. Bei den von
ihnen festgestellten Defektsymptomen und Krankheitsanzeichen des Baums wären weitergehende Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines Sondierstabs erforderlich gewesen. Hierdurch hätte die Ursache für das Abbrechen beider Stämmlinge, nämlich eine fortgeschrittene
Fäulnisbildung, festgestellt werden müssen, woraufhin die unverzügliche Fällung des Baumes
innerhalb der nächsten 14 Tage hätte angeordnet werden müssen. Dann wäre es nicht mehr
dazu gekommen, dass der Stämmling auf den Porsche hätte stürzen können.
Dem Kläger stünde allerdings der Höhe nach nur ein Anspruch auf Schadenersatz von gut
38.000 Euro zu, weil der vom LG zugesprochene Schadensbetrag wegen der von seinem – zum
Schadenszeitpunkt im Betrieb befindlichen – Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr um 20
Prozent zu mindern sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

QUELLE:  OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2020, 11 U 34/20, PM vom 28.1.2021

Kategorie(n)

Verkehrsrecht

 

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