Ein Nachbar muss einen Überbau durch eine Außendämmung nicht dulden, wenn eine
Innendämmung mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

Das stellt das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) im Fall zweier Nachbarn klar. Der
Kläger möchte nachträglich an der Fassade seines Hauses außen eine Wärmedämmung mit
einer Stärke von 18 cm anbringen. Weil die Fassade unmittelbar an der Grenze zum Grundstück
der Beklagten steht, muss er dafür das benachbarte Grundstück überbauen. Der Kläger hat
behauptet, eine vergleichbare Wärmedämmung sei auf andere Weise, nämlich durch Innendämmung,
nicht – schon gar nicht mit vertretbarem Aufwand – zu erreichen.
Das zuständige Amtsgericht hat der Klage erstinstanzlich teilweise stattgegeben. Es hat die
beklagten Nachbarn verurteilt, zu dulden, dass eine Außendämmung von 5 cm Stärke angebracht
wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat zu den nach der
Energieeinsparverordnung (EnEV) erforderlichen Dämmmaßnahmen ein Sachverständigengutachten
eingeholt. Daraufhin hat es die Klage insgesamt abgewiesen.
Das BayObLG hat diese Entscheidung bestätigt. Es liegen die nach dem Gesetz vorgesehenen
Voraussetzungen der Duldungspflicht des Nachbarn nicht vor. Eine Duldungspflicht besteht insbesondere
nur, soweit und solange eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als
durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Dies
zu beurteilen, ist eine Tatsachenfrage des jeweiligen Einzelfalls.
Dabei sind in den Vergleich zwischen Aufwand für eine Außendämmung und eine Wärmedämmung
auf andere Art und Weise nicht lediglich die Kosten der jeweiligen Baumaßnahme einzustellen.
Auch die Möglichkeit einer Innendämmung ist in Betracht zu ziehen. Ein grundsätzlicher
Vorrang der Außendämmung ist der landesgesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen.
Ziele europäischer Richtlinien zur Energieeffizienz und das im Grundgesetz verankerte Staatsziel
des Umweltschutzes gebieten keinen grundsätzlichen Vorrang der Außendämmung, wenn
ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks eine vergleichbare Dämmwirkung in vertretbarer
Weise erreicht werden kann.
Im konkreten Fall können nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
die Grenzwerte der EnEV mit einer Innendämmung eingehalten werden. Das Berufungsgericht
hat berücksichtigt, dass dabei besondere Maßnahmen zur Vermeidung bauphysikalischer
Nachteile zu ergreifen sind. Der im Gesetz verwendete Begriff des vertretbaren
Aufwands wurde zudem ausreichend berücksichtigt.

QUELLE: BayObLG, Urteil vom 1.10.2019, 1 ZRR 4/19, Abruf-Nr. 212526 unter www.iww.de.

Kategorie(n)

Bau- und Architektenrecht