Ein Grundstückseigentümer muss es nicht dulden, wenn der Grundstücksnachbar eine
Wärmedämmung auf der Grenzwand aufbringt, die dann die Grundstücksgrenze überschreitet.
Dabei ist unerheblich, ob der Nachbar damit die Anforderungen der bei der Errichtung
des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall zweier Nachbarn. Deren Reihenhäuser
grenzen aneinander. Die Giebelwände der Gebäude decken sich aber nicht vollständig. In dem
vorstehenden Bereich der Giebelwand brachte der eine Nachbar Dämmmaterial an, das 7 cm in
das Grundstück des anderen Nachbarn hineinragt. Nun soll darauf zusätzlich noch Putz aufgebracht
werden. Die Nachbarn streiten darüber, ob dies geduldet werden muss.
Die Richter am BGH haben keine Duldungspflicht gesehen. Die im Nachbarschaftsgesetz vorgesehene
Duldungspflicht greife im vorliegenden Fall nicht. Der Gesetzgeber wollte Grundstückseigentümern
nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im
Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von
Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen,
häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die
MONATSRUNDSCHREIBEN 08-2017
Baurecht
NUTZUNGSÄNDERUNG
Umnutzung eines Einkaufsladens zur Kultur- und
Gebetsstätte nur mit baurechtlicher Genehmigung
| Soll ein ehemaliges Einzelhandelsgeschäft als Kultur- und Bildungsstätte sowie zum Gebet
von Muslimen genutzt werden, muss eine baurechtliche Genehmigung eingeholt werden. |
Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Dresden. In dem Rechtsstreit ging es um ein Ladenlokal,
das aus einem Raum mit 130 Quadratmetern sowie einigen Nebenräumen bestand. Die
Eigentümerin hatte es an eine gemeinnützige Unternehmensgesellschaft verpachtet. Diese
betrieb Begegnungsstätten für alle Menschen, unabhängig ihrer Ethnie, Nationalität, Religion
oder Sprache. Bereits im Oktober 2016 hatte die Gesellschaft einen Antrag auf Erteilung eines
Bauvorbescheids mit der Fragestellung beantragt, inwieweit es bauplanungsrechtlich zulässig
ist, im fraglichen Objekt ein Kulturzentrum zu errichten. Nach Angaben der Betreiberin werden
die Räumlichkeiten nach Abschluss des Pachtvertrags im Februar 2017 als Treffpunkt ihrer Mitglieder
genutzt. Die Treffen dienten dem sozialen, kulturellen und religiösen Austausch. Selbstverständlich
werde dabei auch das Gebet zusammen verrichtet.
Die Stadt untersagte es unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, die Räumlichkeiten als
Begegnungsstätte bzw. Anlage für religiöse Zwecke zu nutzen. Aufgrund einer Anzeige sei eine
Ortsbesichtigung durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der ehemalige Verkaufsraum
abweichend genutzt werde. Für diese Nutzungsänderung sei eine Genehmigung
nach der Sächsischen Bauordnung erforderlich. Die sei aber bisher gar nicht beantragt worden.
Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Begegnungsstättenbetreiberin als auch die Grundstückseigentümerin
Anträge auf gerichtlichen Eilrechtsschutz erhoben.
Das VG hat diese Anträge auf Aufhebung der Nutzungsuntersagung jedoch abgelehnt. Die Richter
betonen, dass es in beiden Verfahren nicht um die Frage der Zulässigkeit einer Nutzung der
Räume als Kultur- und Bildungszentrum und zum Gebet von Muslimen gegangen sei. Dies sei
von der Stadt im Nutzungsänderungsverfahren zu klären, für das vor wenigen Tagen ein Antrag
eingereicht worden sei. Zu entscheiden sei allein gewesen, ob die jetzige Nutzung der Räume
aufgrund einer vor Jahrzehnten beantragten und erteilten Genehmigung als Einkaufsladen
möglich sei. Dies habe das Gericht verneint, weil für die Nutzung der Räume als Einkaufsstätte,
bzw. als Kulturzentrum und zum Gebet unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zu beachten seien.
Dass für die geänderte Nutzung bereits ein Vorbescheid beantragt worden sei, spiele keine
Rolle. Ein Vorbescheid sei bislang nicht erteilt worden. Eine solche Entscheidung ersetze zudem
ohnehin keine Genehmigung zur Nutzungsänderung.
QUE LLE | VG Dresden, Beschluss vom 29.5.2017, 7 L 463/17, Abruf-Nr. unter www.iww.de.
Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte
oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte
durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden. Anders als für den Altbaubestand
hat der Gesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungsbedürfnis gesehen.
Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten
und nicht bei Neubauten gelte, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende
Planung Rechnung getragen werden könne. Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz,
dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks
befindet. Das habe der Nachbar beim Bau seines Hauses nicht beachtet. Er könne daher
nicht verlangen, dass der Nachbar den Überbau dulde.
QUELLE: BGH, Urteil vom 2.6.2017, V ZR 196/16, Abruf-Nr. 192140 unter www.iww.de.

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Bau- und Architektenrecht