arbeitsrecht

Im Einstellungsverfahren besteht kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers nach Vorstrafen
und Ermittlungsverfahren jedweder Art. Er darf bei einem Arbeitnehmer vielmehr nur
Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren einholen, die für den zu besetzenden
Arbeitsplatz relevant sein können.Diese Klarstellung traf das Arbeitsgericht Bonn im Fall eines Auszubildenden zur Fachkraft für
Lagerlogistik. Dieser hatte im Rahmen seines Einstellungsverfahrens ein „Personalblatt“ ausgefüllt.
Darin hatte er bei den Angaben zu „Gerichtliche Verurteilungen / schwebende Verfahren“
die Antwortmöglichkeit „Nein“ ausgewählt. Tatsächlich wusste er aber, dass gegen ihn ein
Strafverfahren wegen Raubes anhängig war. Nach seiner Verurteilung teilte der Auszubildende
seinem Vorgesetzten mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse. Zudem benötige er eine
Erklärung des Arbeitgebers, dass er seine Ausbildung während seines Freigangs fortführen
könne. Der Arbeitgeber erklärte daraufhin die Anfechtung des Ausbildungsvertrags wegen arglistiger
Täuschung. Hiergegen klagte der Auszubildende.
Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt. Der Arbeitgeber konnte den Ausbildungsvertrag des
Klägers nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber im Einstellungsverfahren beim Bewerber Informationen zu
Vorstrafen einholen, wenn und soweit diese für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant
sein können. Bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt darf sich der Arbeitgeber nach
anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren erkundigen, wenn ein solches Verfahren Zweifel
an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen
kann. Ist hingegen die Frage nach gerichtlichen Verurteilungen und schwebenden Verfahren bei
einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weitgehend, ist
diese Frage unzulässig. Dann muss der Bewerber sie nicht wahrheitsgemäß beantworten.
Die vom Arbeitgeber im Rahmen des Personalblatts gestellte unspezifizierte Frage nach
Ermittlungsverfahren jedweder Art ist bei einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als
Fachkraft für Lagerlogistik zu weitgehend und damit unzulässig. Nicht jede denkbare Straftat
kann Zweifel an der Eignung für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik begründen. Dies
gilt auch, wenn die Ausbildung durch einen öffentlichen Arbeitgeber erfolgen soll. Damit aber
war der Arbeitgeber nicht berechtigt, den Ausbildungsvertrag wegen arglistiger Täuschung
anzufechten.

QUELLE: Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 20.5.2020, 5 Ca 83/20, Abruf-Nr. 216244 unter www.iww.de.

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Arbeitgeber darf nicht Einstellung Emittlungsverfahren fragen nach Vorstrafen