Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main verurteilte ein Mietwagenunternehmen u.a. dazu, ein Schmerzensgeld von 90.000 Euro zu zahlen. Denn der Mietwagen war nicht verkehrssicher und die klagende Mieterin hatte schwerste Verletzungen bei einem Verkehrsunfall mit diesem Fahrzeug erlitten
Die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der
Mietsache kann für die Verletzung von Kardinalspflichten nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden. Zu diesen Kardinalpflichten gehört beim Mietwagenvertrag, ein Fahrzeug zu überlassen, dessen technischer Zustand das sichere Fahren
insbesondere durch funktionsfähige Lenkung und Bremsen gewährleistet.
Das war geschehen
Die Beklagte betrieb eine gewerbliche Autovermietung. Als gewerbliche Stammkundin mietete
die Klägerin bei der Beklagten für eine Woche ein Fahrzeug. Nach den Mietvertragsbedingungen haftete die Beklagte für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der
Gesundheit der Mieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.
Auf dem Hinweg informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten
Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt geriet das Fahrzeug – während die Klägerin versuchte, die
geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hierzu ihre linke Hand vom Steuer nahm – plötzlich
ins Schleudern. Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte
sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in
eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch
das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen.
Eine Replantation des Armes war nicht möglich.
Hohe Schmerzensgeldforderung
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 Euro, eine Schmerzensgeldrente
und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls.
Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte beim OLG
überwiegend Erfolg. Die Klägerin könne Schadenersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug
mangelhaft gewesen sei, so das OLG. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager
bereits bei Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das
Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen. Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte sie dennoch. Der Unfall
sei durch den Mangel verursacht worden.
Kardinalsplicht: Fahrzeug muss verkehrssicher sein!
Die Beklagte könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete
Schäden berufen. Kraft Gesetzes hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige
gesetzliche Haftung könne zwar grundsätzlich durch AGB ausgeschlossen werden. Dies gelte
aber nicht, wenn sich der Haftungsausschluss auf Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sog. Kardinalspflicht, also einer wesentlichen Pflicht, des Vermieters beziehe. Zu
diesen Kardinalspflichten gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Der Mieter würde unangemessen
entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung
derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten des Vermieters
umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht durch einen
Haftungsausschluss ausgehöhlt werden. Das Fahren im Straßenverkehr mit hoher Geschwindigkeit begründe stets eine latente erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Insassen. Ein
Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln ist, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragen.
QUELLE: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.12.2021, 2 U 28/21, PM vom 24.1.2022
Kategorie(n)
Verkehrsrecht