Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die Anforderungen an die Sorgerechtsentscheidungen
für Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern präzisiert.
Anlass war ein Sorgerechtsstreit nicht verheirateter Eltern. Sie lebten zunächst in Gelsenkirchen
zusammen. Als sie sich trennten, verzog die Kindesmutter mit dem Kind ins Oldenburger
Land. Dabei hatten sich die Eltern auf ein Umgangsrecht des Vaters verständigt. Später beantragte
der Kindesvater, beiden Elternteilen das gemeinsame Sorgerecht und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind einzuräumen. Der Antrag blieb in erster Instanz erfolglos.
Seine Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Richter wiesen auf die gesetzliche
Lage (§ 1626a BGB) hin. Danach steht die elterliche Sorge für das Kind zunächst allein der Kindesmutter zu. Auf Antrag eines Elternteils überträgt das Familiengericht die elterliche Sorge
beiden Eltern gemeinsam, sofern dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dies wird vom Gesetz
vermutet, soweit der andere Elternteil keine entgegenstehenden Gründe vorträgt.
Diese „negative Kindeswohlprüfung“ setze voraus, dass auch eine erstmalige Einrichtung der
gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche. Das erfordere eine hinreichend tragfähige
soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung
zwischen ihnen sowie ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens. Demgegenüber müsse die
Alleinsorge der Kindesmutter bestehen bleiben, wenn
zum einen die Kommunikation der Eltern schwerwiegend und nachhaltig gestört ist,
zum anderen die Kindeseltern keine das Kind betreffenden, gemeinsamen Entscheidungen
finden können und
das Kind durch eine gemeinsame elterliche Sorge erheblich belastet würde.
Die Entscheidung für eine gemeinsame elterliche Sorge sei eine Prognoseentscheidung. Weil
sie so ja noch nicht ausgeübt worden sei, stünden keine entsprechenden Erfahrungswerte zur
Verfügung. Deswegen dürften die Zugangsvoraussetzungen zu einer gemeinsamen Sorge nicht
zu hoch angesetzt werden. Es lasse sich möglicherweise nicht immer sicher vorhersagen, dass
zwischen Eltern jegliche tragfähige soziale Beziehung fehle und ein Mindestmaß an Übereinstimmung
nicht erzielbar sei.
Allerdings sei die Grenze da zu ziehen und die alleinige Sorge der Kindesmutter vorzuziehen, wo
es gänzlich an einer Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit und/oder der entsprechenden
Bereitschaft der Kindeseltern fehle. Dann sei davon auszugehen, dass bereits eine Phase
des Erprobens der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl schade.
Gemessen an diesen Kriterien komme vorliegend eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in
Betracht. Aus dem familienpsychologischen Sachverständigengutachten und den Aussagen der
Eltern ergebe sich, dass sie nach wie vor hoch zerstritten seien. Beide seien nicht in der Lage,
so aufeinander zuzugehen, dass ihre Entscheidungen dem Kindeswohl nicht widersprechen.
Darum könne auch keine gemeinsame Aufenthaltsregelung bestimmt werden. Beiden Kindeseltern
fehle bereits ein verbindliches Einvernehmen in Bezug auf den Alltagsaufenthalt des Kindes.
Einem Modell mit häufiger wechselnden Aufenthaltsorten des Kindes stehe zudem die
Entfernung der Wohnorte der Kindeseltern entgegen.
QUELLE: OLG Hamm, Beschluss vom 24.5.2016, 3 UF 139/15, Abruf-Nr. 191759 unter www.iww.de.
Kategorie(n)
Familienrecht