Ein Nutzer muss beim Befahren eines Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw.
-fahrenden Fahrzeugen rechnen und hat eine besondere Rücksichtnahmepflicht. Dies kann
dazu führen, dass auch der Vorfahrtsberechtigte mit 50 Prozent haftet.

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München. In dem Verfahren ging es um einem
Verkehrsunfall in einem Parkhaus. Beide Fahrzeugführer wollten das Parkhaus verlassen.
Der beklagte Fahrer fuhr mit seinem Pkw Passat geradeaus. Er befand sich auf der Straße, die
einmal durch das ganze Parkhaus führt. Links und rechts zweigen Querstraßen ab, in denen
sich die einzelnen Parkplätze befinden. Die Klägerin kam mit ihrem Pkw Skoda aus Sicht des
Beklagten von rechts aus einer dieser Querstraßen. Die Durchgangsstraße ist fünf Meter breit,
die Querstraßen sind 6 Meter breit. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall der beiden Fahrzeuge.
Die Klägerin macht einen Schaden von insgesamt 5.138,75 EUR an ihrem Pkw geltend.
Sie behauptet, der Passat sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe die
Vorfahrt missachtet. Die Versicherung des Beklagten hat vor dem Prozess bereits die Hälfte des
Schadens beglichen. Mit der Klage verlangt nun die Klägerin den Restbetrag.
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München wies die Klage ab. Nach dem Urteil haften
die beiden Unfallbeteiligten jeweils mit 50 Prozent. Da die Versicherung des Beklagten vorgerichtlich
bereits 50 Prozent des Schadens der Klägerin beglichen hat, schulden der Beklagte
und seine Versicherung nach dem Urteil der Klägerin keinen weiteren Schadenersatz.
Inwieweit die Vorfahrtsregel der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf einem Parkplatz Anwendung
findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr d. h. dem Suchverkehr
dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese
Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die
Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen, so das Urteil. Im vorliegenden
Fall sei wegen der breit ausgebauten Straßen ein gewisser Straßencharakter anzunehmen.
Daher gelte an den Schnittpunkten der Straßen die rechts vor links Regel.
Daneben gelte aber eine besondere und spezifische Rücksichtnahmepflicht aller Verkehrsteilnehmer.
Das bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf einem solchen Parkplatz, auch ein
von rechts Kommender, mit erhöhter Vorsicht fahren muss. Ein Nutzer muss also beim Befahren
des Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen rechnen, so
das Urteil. Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und sich den Feststellungen
des Sachverständigen angeschlossen. Danach hätte der Unfall vermieden werden können,
wenn beide Beteiligte vorliegend ihre sich aus dem Parkplatzverhältnis ergebende besondere
Rücksichtnahmepflicht erfüllt hätten. Die Gegebenheiten auf dem Parkplatz lassen es vorliegend
nicht zu, dass die Führerin des klägerischen Fahrzeugs sich blind auf ihr Vorfahrtsrecht
nach der rechts vor links Regel verlässt. Dies insbesondere, als die Straße, auf der sich der
Beklagte befand, geradeaus durch das Parkhaus durchführt und von allen Verkehrsteilnehmern
genutzt werden muss, um zur Ausfahrt zu gelangen. Auf dieser Straße ist ständig mit Begegnungsverkehr
zu rechnen, so das Gericht weiter. Das Gericht kommt zu einer Haftungsverteilung
von 50 Prozent für beide Parteien.
QUELLE: Amtsgericht München, Urteil vom 23.6.2016, 333 C 16463/13, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Kategorie(n)

Allgemein, Verkehrsrecht

 

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