arbeitsrecht

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“
zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das
Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG)
entschieden.

 

 

Sachverhalt
Die Beklagte betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen
eine Filiale. Dort ist die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine
monatliche Vergütung von 432 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund
der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und
der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt
Bremen vom 23.3.2020 geschlossen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt
auch keine Vergütung.
Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt
des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund
behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden
Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die
von der Stadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das
allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Unterschiedliche Sichtweisen der Instanzen
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom Landesarbeitsgericht (LAG) zugelassene
Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg. Das BAG: Die Klägerin hat für den Monat
April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der
behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung
unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Arbeitgeber trägt nicht Risiko des Arbeitsausfalls
Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz
der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen
durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein
Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung
notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein
in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung
ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt
treffenden Gefahrenlage.

Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem
Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten
durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen – wie es zum Teil
mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen ist. Soweit ein solcher – wie bei
der Klägerin als geringfügig Beschäftigte – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in
dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter
Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

 

QUELLE | BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21, PM 31/21

Kategorie(n)

Arbeitsrecht

 

Schlagwörter

Corona-Pandemie Lockdown- Arbeitgeber trägt nicht das Betriebsrisiko