Kann eine Erbin gegenüber einem Pflichtteilsanspruch mit einer zum Nachlass gehörenden
Darlehensforderung gegen den Pflichtteilsberechtigten aufrechnen, muss sie keinen Pflichtteil
zahlen.
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) im Falle zweier Geschwister entschieden. Die Mutter war
Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks. Dies hatte sie von ihrem bereits vorverstorbenem
Ehemann geerbt. Nachdem die Mutter gestorben war, verlangte der Bruder seinen Pflichtteil.
Der Bruder hatte in den 1970er Jahren einen Anbau an das Wohnhaus der Eltern errichtet. Im
Rahmen einer Umschuldung des Bruders erwarb dessen Sohn das Teilgrundstück mit dem
Anbau. Der Bruder erhielt zudem von seinen Eltern nach einem notariell beurkundeten Vertrag
aus dem Jahre 1992 ein Darlehen. Dieses ist in Höhe von 95.000 DM (entspricht 48.572,73 EUR)
noch nicht getilgt.
Die Mutter hatte ihre Tochter (also die Schwester) zur Alleinerbin eingesetzt. Dabei hatte sie
angeordnet, dass sich der Bruder den nicht zurückgezahlten Darlehnsbetrag auf seinen Pflichtteil
anrechnen lassen müsse.
Nach dem Tode der Mutter hat der Bruder von seiner Schwester einen mit ca. 44.650 EUR
berechneten Pflichtteil geltend gemacht. Die Schwester weigert sich zu zahlen. Sie hat mit dem
zwischenzeitlich gekündigten Darlehen aufgerechnet. Der Bruder behauptet, dass er das
Darlehen nicht zurückzahlen müsse. Der Darlehensvertrag aus dem Jahre 1992 sei ein Scheingeschäft
gewesen. Er sei von seiner damaligen Bank erzwungen worden. Seine Bankschulden
hätten die Eltern gegen seinen Willen bezahlt. Den Betrag hätten sie nie von ihm eingefordert.
Die Zahlungsklage des Bruders ist erfolglos geblieben. Nach der Entscheidung des OLG stand
ihm zwar ein Pflichtteilsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Als Sohn der Erblasserin
sei er nämlich pflichtteilsberechtigt. Die Mutter habe die Schwester als Alleinerbin eingesetzt
und ihn so enterbt. Die Mutter habe einen Nachlass im Wert von ca. 178.600 EUR hinterlassen.
Der Pflichtteilsanspruch des Bruders betrage daher 44.650 EUR.
Dieser Anspruch sei allerdings aufgrund der von der Schwester erklärten Aufrechnung
erloschen. Infolge des Erbfalls habe die Schwester den Darlehensrückzahlungsanspruch ihrer
Mutter gegen den Bruder erworben. Mit diesem Rückzahlungsanspruch könne sie gegenüber
dem Pflichtteilsanspruch aufrechnen. Die notarielle Vereinbarung aus dem Jahre 1992 bestätige
diese Rückzahlungsverpflichtung, die der Bruder in der Urkunde anerkannt habe. Dass die
beurkundete Vereinbarung ein Scheingeschäft gewesen oder vom Bruder seinerzeit durch ein
unlauteres Verhalten seiner Bank erzwungen worden sei, habe der Bruder nicht bewiesen.
QUELLE: OLG Hamm, Urteil vom 14.3.2017, 10 U 62/16, nicht rechtskräftig (Az. BGH IV ZR 118/17), Abruf-Nr. 200625 unter www.
iww.de.
Kategorie(n)
Erbrecht